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  ULTRUS präsentiert Textproben seiner Autoren
 hier Paul Starck: “Klein-laut piepst mein Handy”

Inhaltsverzeichnis

Klein, aber oho        Schiedsrichter - Telefon / Unsterbliches / Nomen est Omen / Schon die alten Griechen / Die Handynastie / Getauft mit Neckarwasser / Hören und Sehen / Schöne neue Welt / Klein-laut aber oho / Sein oder nicht Sein der Antenne / Die post-postmonopole Zeit

Schnurhaltig oder schnurlos?     Schnurstracks gerettet / Spott und Hohnpreise / Wohin führt das noch?Drill nicht nur auf dem Kasernenhof / Die Zukunft gehört dem Handy / Moderne Zeiten / Neid und Mitneid / Kleinkrieg um das Kleinchen / Die Maschinenstürmer / Todesangst / Die Entlarvung des Handyträgers / Gefährliche feuchte Aussprache / Privileg oder Klotz am Ohr?

Ist telefonieren gesund?     Ohrwurmbraterei / Jeder hat so sein Schlüsselerlebnis / Ein Dummy für´s Dummerle / Angeben ist gesund / Selbstgespräche gut getarnt  / Kein Schwein ruft mich an / Klein-laut piepst mein Handy / Jeder hat so sein Schüsselerlebnis / Handyverbot / Handy und Weltuntergang / Peinlich / A, B, C, D1, D2, E, Dual oder Trial? / Schirmherrschaft / Outhouse wird Zuchthaus / Suchdienst / Notruf / Casanova hat die kürzesten Beine / Handy-Steinzeit / Doppelt gemobbelt / Definitiv ein plus / Schrittmacherdienste / Kontakt-Fehl-Anzeige

Der tödliche Memory-Effekt    Spare in der Zeit... / Dann fehlt dir in der Not der Strom / Der Frauen Glück / Handy am Steuer / Ohrensteifhalten mit Knopf im Ohr / Mafia und Finanzamt / Klein-laut piepsen nützt nichts / Das große Bruder-Ohr / Das Funkloch / Suchprogramm / Das Handtaschenmysterium / Nutz oder unnütz?  Nutz und Frommen / Telefonzelle im Hosensack / Ausblick

Die folgende Leseprobe steht im Originalbuch ab Seite 46
Ohrwurmbraterei         Nun streiten sich unruhige Geister darüber, ob die zwei Watt in der Lage seien, die Watte im Ohr oder Wichtigeres im Gehirn zu verschmoren. Die Jünger der Magnetfeldverteufelung predigen, dass ein Handyträger, der sein technisches Wunderkind über dem Herzen trägt, mit der Gefahr des plötzlichen Herztodes schwanger gehe, oder dass dieses Teil am Kopf des Users zum potenten Mikrowellenherd werde oder gar in der Hosentasche des Trägers (gleichgültig ob links oder rechts getragen) schleichend die Potenz vernichte. Diejenigen, die von der Verbreitung der Klötzchen leben wollen, weisen das mit überlegener Geste ab und behaupten das Gegenteil.

Ich war mir, lange Zeit hin und her gerissen, auch nicht ganz schlüssig, in welches der beiden Lager ich mich schlagen sollte. Denn täglich sprossen neue Horrorgeschichten aus dem Boden: Gegrilltes Hirn mit Senfsauce soll der Ausfluss und das pathologische, das krankhafte Ergebnis der Handygespräche werden. Demenz, also komplette Aushöhlung des Gehirns und Sprachlosigkeit wäre die Folge der drahtlosen Gesprächigkeit. Die geschmolzenen Ohrinhalte ins Gehirn gedrungen, sollen eine Schmalzheimer Krankheit erzeugen, die aus dem vormals intelligenten jungen Menschen einen totalen Pflegefall machen. Manches Mal, wenn man dem Gesäusel eines Galans mit Handy am Ohr in der Straßenbahn lauscht, hat man allerdings schon das Gefühl, ein Schmalzheimer kaut der Angebeteten die Ohren ab.

Die Verfechter der grenzen- und kabellosen Erreichbarkeit dagegen stoßen unsicheres Hohngelächter aus und verweisen auf die Senilität der telekomisch verkabelten Daheimgebliebenen, die vorm Kabelfernseher ihre letzten Reste an Kommunikationsfähigkeit einbüßen und im Kabelwust der Berieselung ihre Gehirne vertrocknen lassen. Aber miteinander zu tun hat das allemal nichts und ist auch egal.

Jeder hat so sein Schlüsselerlebnis      Doch dann begegnete mir in der Karlsruher Fußgängerzone unlängst der weiter oben beschriebene Yuppie mit dem Handy am Ohr, der ganz hautnah, mit dem BASF Aktienkurs auf den schmalen Lippen, hektisch und mit leerem Blick an mir vorbeistreifte. Und, man kann es mir kaum glauben oder nicht, das zarte Fähnlein eines würzigen Duftes, wie Brathendl vom Grill, wie Ohrwurm in Schmalz gebacken, deuchte mir, von seinem Lauschorgan ausgehend, hinter ihm her zu wehen.

"Aha," entfuhr es mir laut, "daher weht der Wind!" und die restlichen Passanten wandten ruckartig sich und ihre nach Neuem gierenden Blicke mir und nicht mehr dem neidheischenden Handyexoten zu.

Ein Selbstgespräche führender Mensch ist in den deutschsprachigen Fußgängerzonen allemal noch spektakulärer und aufmerksamkeitserregender als ein Handyträger mit dem Yuppi-Lutscher am Ohr. Auch der beste Straßenmusikant und der lustigste Gaukler sind ein Dreck dagegen. Fragen Sie mal einen aus dieser Zunft.

Außerdem schaut der normalgefrustete Durchschnittsbürger ganz schnell wieder weg, wenn ihm ein Handyträger beim Telefonieren ins Blickfeld gerät. Er gönnt ihm nicht das Prestige, als solcher erkannt und beneidet zu werden. Also tut er so, als gäbe es den Handyträger überhaupt nicht. Luft. Mit Neid verpestete Luft.

Jedenfalls beschloss ich spontan nach dem Dufterlebnis vorübergehend doch handylos zu bleiben. Nicht wegen meiner Selbstgespräche und der dadurch erregten Aufmerksamkeit, sondern wegen des angsteinflößenden Brathendelduftes. Nicht, weil ich diese Duftnote eklig finde. Im Gegenteil. Nicht, weil ich etwas gegen die Schadstoffeinbringung durch den Verzehr eines KZ-Hühnchens hätte, es gibt ja auch ehemalige frei laufende und normal gefütterte Hühnchen. Nein, ich hatte dank der Negativpropaganda ganz einfach panische Angst, dass meine Intelligenz durch ein Handy unter die Einhundertsiebzigermarke rutschen könnte. Und man merkt das dann nicht einmal. Das ist ja das Schlimme. Es sind immer die anderen, denen das auffällt und das ist gemein.

Obwohl ich nicht so recht weiß, warum das eigentlich nicht egal ist.

Allerdings regten sich in meiner Brust dann gleich wieder einige Unsicherheiten, als mir bewusst wurde, dass sich diese Begegnung der besonders duftenden Art mit dem vorbeihuschenden Handyträger nur einige Schritte vom Ausgang eines "Wienerwald"-Restaurants entfernt ereignet hatte.

Ob der Junge am Ende gerade dort gespeist hatte? Ob wohl nur, zweifelte ich, der edle Zwirn seines Zweireihers vom fetten Fritierflair durchflutet war? Es lässt sich nicht mehr ergründen. Ich floh die Kaste der Unerreichbaren und kaufte mich einige Tage später, als ein D1-Lockvogel damals für nur noch neunundvierzig  Mark neunzig zu erschwingen war, doch noch in die stetig wachsende Gemeinde der Erreichbaren ein.

Was kümmerte mich in meinem hohen mittleren Alter noch das Verkümmern des Hirns im Elektrosmog. Mit mir die Sintflut. Ich wollte mich wollüstig im Untergang wühlend in den Kommunikationswogen ertränken. Meine Zeit als Unberührbarer war zu Ende...

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Fortsetzung im Buch...